Biogener Kohlenstoff
Biogener Kohlenstoffgehalt in Sekundär-Brennstoffen und biobasierten Produkten
Direkt zu den Inhalten gehen:
Was bedeutet biogener Kohlenstoff?
Warum wird der biogene Kohlenstoffanteil bestimmt?
Woher kommt das Kohlenstoff-Isotop C-14?
Wie erfolgt die Bestimmung des biogenen Kohlenstoffanteils im Labor?
Welche Anforderungen an die Probenahme sind zu beachten?
Welche Verantwortlichkeiten bestehen im Emissionshandel?
Was bedeutet biogener Kohlenstoff?
Der Begriff „biogener Kohlenstoff“ bezieht sich auf Kohlenstoff, der erst vor kurzer Zeit in organische Stoffe (Pflanzen, Holz, Futter, Lebensmittel) eingebaut wurde, im Gegensatz zu fossilem Kohlenstoff, der in fossilen (Brenn-) Stoffen wie Stein- und Braunkohle, Erdöl und Erdgas sowie in erdölbasierten Produkten enthalten ist.
Der biogene Kohlenstoffgehalt kann elegant und sicher mittels der Bestimmung des Isotops C-14 bestimmt werden. Diese Leistung bietet IAF seit vielen Jahren als akkreditiertes Verfahren für alle relevanten Matrices an.
Warum wird der biogene Kohlenstoffanteil bestimmt?
Der biogene Kohlenstoffanteil wird hauptsächlich für zwei Fragestellungen bestimmt:
- Bestimmung der Kohlendioxid-Emissionen bei der Verbrennung
- Herstellung von Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen
Kohlendioxid-Emissionen bei der Verbrennung:
Für den Handel mit Treibhausgasemissionen ist relevant, ob das Kohlendioxid aus „jungem“, nachwachsendem Brennstoff stammt. In diesem Fall erhalten die Betreiber („BEHG-Verantwortliche“) Gutschriften. Sie haben deshalb ein Interesse an der rechtssicheren Bestimmung des biogenen Kohlenstoff-Anteils, welche die deutschen und europäischen gesetzlichen Anforderungen des Emissionshandels erfüllen, insbesondere bei der Verbrennung von Sekundärbrennstoffen. Hierzu zählen vor allem das „Gesetz über einen nationalen Zertifikatehandel für Brennstoffemissionen“ (Brennstoffemissionshandelsgesetz - BEHG), die "Verordnung über die Emissionsberichterstattung nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz für die Jahre 2023 bis 2030" (Emissionsberichterstattungsverordnung 2030 - EBeV 2030) und die „Durchführungsverordnung (EU) 2018/2066 der Kommission vom 19. Dezember 2018 über die Überwachung von und die Berichterstattung über Treibhausgasemissionen“ (EU-Monitoring-Verordnung).
Der biogene Kohlenstoff-Anteil kann im Brennstoff (Sekundärbrennstoff, Biogas) oder im Abgas (Rauchgas) untersucht werden. Die Bestimmung im Abgas ist ein direktes Maß für die Emissionen, während die Untersuchung der Brennstoffe eine indirekte Methode darstellen. Da sich bei der Verbrennung von Kohlenstoff das Verhältnis der chemisch identischen Isotope C-12 und C-14 nicht ändert, liefern beide Methoden grundsätzlich die gleichen Ergebnisse.
Hersteller von Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen, die auf Nachhaltigkeit und die Vermeidung fossiler Ausgangsstoffe Wert legen (z.B. in kunststoffhaltigen Verpackungen, Beschichtungen, Kosmetika, Farben, Lacke, Pigmente, Waschmittel, Tenside, hydrierte Pflanzenöle bzw. HVO), sind ebenfalls an einem Nachweis des biogenen Kohlenstoffanteils interessiert. Spätestens bei der thermischen Verwertung (Verbrennung) der jeweiligen Produkte wird CO2 mit fossilem Kohlenstoff frei, während der biogene Kohlenstoffanteil effektiv nicht zum Ausstoß von Treibhausgasen beiträgt.
Woher kommt das Kohlenstoff-Isotop C-14?
Das Isotop C-14 entsteht auf natürliche Weise in der oberen Atmosphäre, wenn kosmische Strahlung auf Stickstoffatome trifft und diese in C-14 umwandelt. Dieses Isotop gelangt durch Photosynthese in Pflanzen und anschließend über die Nahrungskette in alle lebenden Organismen. Solange ein Organismus lebt, bleibt das Verhältnis des schwach radioaktiven C-14 zu dem stabilen Kohlenstoffisotop C-12 konstant. Mit dem Tod des Organismus endet die Aufnahme von Kohlenstoff, und der C-14-Gehalt nimmt aufgrund des radioaktiven Zerfalls mit einer Halbwertszeit von etwa 5730 Jahren ab. Indem man das Verhältnis von C-14 zu C-12 in einer Probe misst, kann das Alter der Probe bestimmt werden. Bei fossilem Material, das wie Erdöl oder Kohle Millionen Jahre alt ist, lässt sich praktisch kein C-14 mehr nachweisen. Hingegen entspricht bei Klärschlamm und nachwachsenden Materialien wie Möbelholz das C-14/C-12-Verhältnis den zum Entstehungs- oder Wachstumszeitpunkt herrschenden Bedingungen.
Wie erfolgt die Bestimmung des biogenen Kohlenstoffanteils im Labor?
Die Bestimmung des biogenen Anteils erfolgt am sichersten mittels der Radio-Kohlenstoff- oder C-14-Methode, die auf soliden physikalischen Grundlagen beruht. Sie wird im Folgenden kurz erläutert:
- Probennahme: Proben müssen sorgfältig genommen und vorbereitet werden, um eine repräsentative und den gesetzlichen Anforderungen genügende Probe zu erhalten. Insbesondere im Rahmen des Emissionshandels ist die repräsentative Probenahme von besonderer Bedeutung, da hierin die größte Fehlerquelle liegt.
- Zerkleinerung und Homogenisierung: Nach der eigentlichen Probenahme schließt sich häufig die Zerkleinerung und Homogenisierung des großvolumigen und inhomogenen Probenmaterials an, z.B. bei Sekundärbrennstoffen. Dies ist erforderlich, um die Analyse an einer für das gesamte Material repräsentativen Probe durchzuführen. Kleine Probenmengen homogenisieren wir im Labor der IAF-Radioökologie, für größere Volumina arbeiten wir mit hierfür akkreditierten Partnern zusammen.
- Probenvorbereitung: Festes Probenmaterial oder Klärgas wird bei sehr hohen Temperaturen pyrolysiert (z.B. in einem Röhrenofen), das entstehende Kohlendioxid wird an einem CO2-Absorbergebunden. Rauchgas- bzw. Abgasproben werden direkt über den Absorber geleitet. Der flüssige Absorber ist nach Zugabe eine Szintillationscocktails bereit für die LSC-Messung.
- Messung der Aktivität des Kohlenstoff-Isotops C-14: Für die Bestimmung von C-14 in der Probe setzen wir gemäß der geltenden DIN- und ISO-Normen DIN EN ISO 21644, DIN EN 16640, EN 16785-1, DIN EN ISO 13833, ISO 16620 sowie der ASTM D6866-10 das Flüssig-Szintillationsverfahren LSC (Liquid Scintillation Counting) ein.
- Berechnung des biogenen Kohlenstoff-Anteils: Die gemessene C-14-Aktivität in der Probe wird mit einem Referenzwert verglichen, der für rein biogene Materialien des gleichen Materials (oder vergleichbarer Arten) charakteristisch ist. Beispielsweise bestehen Unterschiede zwischen dem biogenem C-14-Gehalt in frischer Biomasse und Holz, welches in den 1950er und 1960er Jahren zur Zeit von Kernwaffenversuchen gewachsen ist. Damals war selbst in biogenem Material der C-14-Gehalt mit ca. 400 Bq/kg etwa doppelt so hoch wie vor den Versuchen (ca. 226 Bq/kg). Er klingt seither kontinuierlich wieder ab, so dass jüngere Biomasse derzeit einen eine spezifische C-14-Aktivität von ca. 230 Bq/kg besitzt (pmC Diagramm). Aus dem jeweils geltenden Referenzwert wird der Anteil des biogenen Kohlenstoffs berechnet und auf dem Prüfbericht angegeben, sowohl als spezifische C-14-Aktivität in Bq/kg als auch in der Einheit pmC (percent modern Carbon). Werden 100 pmC erreicht, ist der Brennstoff oder das Produkt entsprechend dem zugrunde gelegten Referenzwert vollständig biogen. Die Referenzwerte werden entweder in den geltenden DIN- und ISO-Normen oder veröffentlichten Datensätzen vorgegeben, und teilweise sind sie auf das aktuelle Datum zu extrapolieren.
- Interpretation und Beratung unserer Auftraggeber: Wir lassen unsere Auftraggeber nach Versand des Prüfberichtes mit den Ergebnissen nicht allein, sondern erläutern die Werte und geben Hinweise zur Interpretation. Beispielsweise kann der gemessene Kohlenstoffanteil auch höher als 100 pmC sein, was auf das Vorhandensein von künstlich erzeugten C-14, z.B. aus kerntechnischen Quellen, hinweist. Alternativ kann der biogene Kohlenstoffgehalt selbst bei scheinbar biogenen Materialien auch niedriger als 100 pmC liegen, beispielsweise in Molkereiabfällen. Ein Grund kann die Zufütterung von aus fossilem Erdöl gewonnen 1,2-Propandiol (Propylenglykol) zur Ketosevorbeugung bei Milchrindern im Prozentbereich des (biogenen) Grünfutters sein. Da IAF seit vielen Jahren eine hohe Expertise in der Bestimmung und Interpretation der C-14-Aktivität aufgebaut hat, haben Sie in uns auch bei komplexen Fragen zu biogenem Kohlenstoff einen kompetenten Ansprechpartner.
Für ausgewählte Brennstoffe gibt die DIN EN 21644 Referenzwerte des pmC für das Jahr 2021 vor. Die Werte unterscheiden sich teilweise erheblich. Die korrekte Auswahl der pmC-Bezugswerte für frische Biomasse, SRF (Solid Recovered Fuels, Ersatzbrennstoff, Sekundärbrennstoff) u.s.w. ist deshalb von entscheidender Bedeutung. Die derzeitige jährliche Abnahme beträgt etwa 0m35 pmC pro Jahr, hauptsächlich durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe.
Welche Anforderungen an die Probenahme sind zu beachten?
Eine repräsentative Probenahme und Analyse liegt vor, wenn entweder die in Anlage 4 Teil 3 EBeV 2030 aufgeführte Mindesthäufigkeit der Analysen eingehalten wird oder die relative Standardabweichung des jährlichen Mittelwerts der Analysen kleiner als 1,5 % ist. Grundsätzlich gilt: Die Genauigkeit und Repräsentativität der biogenen Kohlenstoffbestimmung ist vor allem von der Probenahme abhängig. Inhomogenitäten des Brennstoffs oder Schwankungen in der Zusammensetzung des Abgases dürfen sich nicht signifikant auf das Messergebnis des biogenen Anteils auswirken.
Feststoffprobenahme (z.B. Sekundärbrennstoffe)
Für Sekundärbrennstoffe gelten die Vorgaben zur Probenahmehäufigkeit in der EBeV 2030, Anlage 4 Teil 3:
Nicht zum Brennstoff gehörige Metallteile, Steine und andere nicht brennbare Bestandteile werden aussortiert, das Material wird getrocknet, in einer Schneidmühle zerkleinert und homogenisiert. Daraus werden je nach Laboranforderung kleine Teilproben entnommen. Für die Laboranalysen des biogenen Kohlenstoffanteils benötigt IAF nur wenige Gramm.
Andere Parameter wie Brennwert erfordern etwas mehr Probenmenge. Der Sortierungsprozess und die entnommenen Massenanteile werden sorgfältig protokolliert, um eine eindeutige Rückverfolgbarkeit der analysierten Teilproben zu erhalten. Da für die C-14-Bestimmung mittels LSC Kohlenstoffmengen von wenigen Gramm ausreichen, erfordert die Herstellung einer Laborprobe eine sehr gut homogenisierte Mischprobe.
Weitere für die Emissionsberichterstattung erforderliche Angaben wie unterer Heizwert (Hu) bzw. Brennwert, Gesamtkohlenstoff oder Wassergehalt erfolgt durch ein akkreditiertes Labor im Nachauftrag von IAF.
Probenahme aus dem Biogas
Das Biogas (Brennstoff) wird in metallbeschichtete Gasbeutel (Restek, Linde) abgefüllt. Für die C-14-Bestimmung sind nur wenige Gramm Kohlenstoff erforderlich, so dass je nach Methangehalt im Biogas ein Gasvolumen von ca. 10 l ausreicht.
Rauchgas / Abgasprobenahme
Im Rauchgas aus der Verbrennung fossiler Energieträger sind üblicherweise 5-15 Vol.-% CO2 enthalten, so dass ca. 20 l Rauchgas in einer kontinuierlichen Emissions-Messsysteme (KEMS) auf Granulatkartuschen, z.B. AMESA-B von Envea oder pmctrace von Genius5 auf einem Granulat (z.B. Natronkalk) abgeschieden werden müssen. KEMS müssen gemäß § 12 Absatz 1 EBeV 2030 über einen Eignungsnachweis verfügen.
IAF entleert das Sammelgranulat aus den Kartuschen, befüllt die Kartuschen neu und ersetzt die Staubfilter. Das entnommene Granulat wird auf C-14 untersucht.
Es ist zu beachten, dass eine KEMS das gesamte CO2 im Rauchgas erfasst. Da jedoch nicht für die gesamten Kohlendioxid-Emissionen der Anlage Emissionszertifikate abgegeben werden müssen, können bestimmte Anteile von den durch KEMS ermittelten Kohlendioxid-Emissionen abgezogen werden.
Wichtig ist auch die Berücksichtigung des anorganischen und damit nicht zum Heizwert beitragenden Kohlenstoffs, beispielsweise in Carbiden und Carbonaten. Diese Anteile sind entsprechend den gesetzlichen Anforderungen im Emissionshandel bei der Angabe des biogenen Kohlenstoffanteils herauszurechnen.
Welche Verantwortlichkeiten bestehen im Emissionshandel?
Gemäß §7 BEHG ist durch den BEHG-Verantwortlichen bis zum 31.07. jedes Jahres ein Emissionsbericht für das Vorjahr vorzulegen. Die Angaben sind durch eine Prüfstelle zu verifizieren.
Nach § 6 BEHG ist für jede Handelsperiode ein Überwachungsplan zu erstellen und von der zuständigen Behörde genehmigen zu lassen. Für Abfallverbrennungsanlagen gibt es keine vereinfachten Überwachungspläne. Anlage 2 Teil 5 der EBeV 2030 enthält Standardwerte für den Biomasseanteil verschiedener Brennstoffe. Werden jedoch neben den dort genannten Brennstoffen (z.B. Altholz) andere Brennstoffe mitverbrannt, muss der biogene Anteil fallspezifisch ermittelt werden. Die Bestimmung des biogenen Kohlenstoffanteils ist somit für Sekundärbrennstoffe sinnvoll, deren reale Biomasseanteile höher als die Standardwerte sind und wo der Nachweis Emissionskosten senken kann.
Die Deutsche Emissionshandelsstelle ist die im Umweltbundesamt in Berlin zuständige nationale Stelle zum EU-Emissionshandel. IAF arbeitet intensiv mit vielen für den EU-ETS 1 akkreditierten Prüfstellen und zugelassene Umweltgutachter gemäß § 15 BEHG zusammen. Zur Registrierung im Emissionshandelssystem und die Formalien des Berichtswesens verweisen wir auf die Informationen auf der Website der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) dehst.de.
Hinweis: Für die rechtliche Richtigkeit und Aktualität übernimmt die IAF-Radioökologie GmbH keine Haftung.